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Skat: Streitfälle vor Gericht: Entstehungsgeschichte

Skat: Streitfälle vor Gericht: Entstehungsgeschichte

Sie haben sich bestimmt schon einmal die Frage gestellt: Wie kommt man darauf, ein Buch über Regelstreitigkeiten beim Skat zu schreiben? Hat ein Mensch, der so etwas tut, zu viel Zeit, oder ist er besessen? Ja, beides trifft zu, und doch ist dies nur die halbe Wahrheit.

Schon seit vielen Jahren beschäftige ich mich mit Skatliteratur. Hier ein Buch mit „Regeln und Tipps“, da ein Buch „für Fortgeschrittene“ – der Markt war und ist für Verhältnisse der Skatliteratur überschwemmt. Was sollte ich, der gern schriftstellerisch tätig wird, dieser Masse an schlauen Büchern noch hinzufügen? Immerhin wurde bei Skatbüchern, die auf spielerische Aspekte abzielen, jede erdenkliche Herangehensweise schon einmal gewählt. Allgemeine Hinweise, statistische Betrachtungen, Lernen über Anekdoten, Lernen durch Analyse von Skatproblemen – es gab bereits alles. Ich hätte – wie ein Drehbuchautor – dem Markt nur eine weitere belanglose Wiederholung bescheren können. Und wer hätte einem Nobody, der bislang rein gar nichts von Bedeutung gewonnen hat, auch nur einen spielerischen Tipp abgenommen? Es musste sich jedoch bald zeigen, dass ein Jura-Student demgegenüber natürlich für die Auslegung des Skatrechts prädestiniert war...

Eines Abends fiel mir beim Vereinsskat auf, dass ich die Vorschriften der Internationalen Skatordnung doch nicht so gut kannte, wie ich bislang gedacht hatte. Welch Schmach: Ausgerechnet ein Jura-Student, der mit den skatrechtlichen Vorschriften nicht umgehen kann. Also habe ich die Internationale Skatordnung „gepaukt“, und von dem Zeitpunkt an habe ich mir bei eindeutigen Fällen keine Blöße mehr gegeben. Richtig, bei eindeutigen Fällen. Was aber war mit nicht eindeutigen Fällen? Wer sich richtig mit Regelstreitigkeiten beim Skat beschäftigt, muss zwangsläufig auf die Entscheidungsfallsammlung des Deutschen Skatgerichts stoßen, und als ich diesen Fund gemacht hatte, wusste ich: Auch beim Skat sind die nicht eindeutigen Fälle die interessantesten.

Nachdem ich die gesamte Entscheidungsfallsammlung und auch jeden online zu findenden monatlichen Streitfall aus dem „Skatfreund“ durchgearbeitet hatte, stand ich auf der Schwelle zum absoluten Regelexperten. Es gab keinen Sachverhalt mehr, den ich nicht überzeugend aufklären konnte. Und wie das so ist, wenn man etwas gut kann: Man wird leicht größenwahnsinnig. Meine Arroganz stieg allmählich ins Unermessliche. An fast jeder Entscheidung des Deutschen Skatgerichts hatte ich etwas auszusetzen. Mal war die Entscheidung schlichtweg „falsch“, mal die Begründung zu kurz, mal hat mir irgendetwas anderes nicht gepasst. Nachdem ich mich über die Wochen hinweg zum Skatregelzyniker entwickelt hatte, wusste ich, dass ich nicht nur lamentieren durfte, sondern aktiv werden musste.

Letztendlicher Stein des Anstoßes war eine Entscheidung des Deutschen Skatgerichts, der (ungültige) Reizwert „47“ sei als Reizwert „48“ zu behandeln. Meine dreiseitige ablehnende Urteilsanmerkung schickte ich an das Deutsche Skatgericht in der stillen Hoffnung, meine – so sah ich es zumindest – überzeugende Argumentation würde die höchste Entscheidungsinstanz dazu bewegen, seine Meinung zu ändern. Daraufhin wartete ich Tage, Wochen und Monate, aber ich erhielt keine Antwort. Derart erniedrigt, gab es für mich nur noch eine Möglichkeit, meinem gepeinigten Ego wieder zu alter Stärke zu verhelfen: Ich musste meine idiotischen skatrechtlichen Ansichten ebenfalls in Schriftform publizieren. Es musste sich dabei um etwas handeln, das anspruchsvoll war und sich dennoch gut verkaufen ließ. Als wäre eine solche Kombination nicht schon schwer genug zu bewerkstelligen, reihte sich von hier an ein Fehler an den anderen...

Die Idee, erstmals in einem Buch die juristische Seite des Skatspiels in den Vordergrund zu stellen, war für sich genommen alles andere als schlecht. Dabei lag es nahe – so glaubte ich damals –, sich an juristischen Publikationsformen zu orientieren. Nun wollte ich natürlich kein Lehrbuch schreiben, sondern etwas, das mir schon seinem Namen gestattete, einen riesigen verbalen Rundumschlag zu starten. „Kommentar“ hieß das Zauberwort. In der Rechtswissenschaft dienen Kommentare dazu, Rechtsvorschriften eines bestimmten Rechtsgebietes, ihre Zusammenhänge, Auslegung etc. zu erläutern. Der „Kommentator“ gibt dann seinen Senf dazu, indem er z. B. über eine missratene Rechtsprechung schimpft. War also ein Kommentar nicht genau das Richtige für mich?

Die Arbeiten gingen aufgrund der Fülle an problematischen Streitfällen und meines Perfektionswahns nur schleppend voran. Erste Zweifel am Sinn meines Projekts keimten auf, und schon bald hatte ich mit Motivationsproblemen zu kämpfen. In dieser Zeit kam mir eine – für heutige Verhältnisse vollkommen hirnrissige – Idee, die meine Probleme beseitigen sollte: Ich versuchte, den Deutschen Skatverband für mein Projekt einzuspannen bzw. ihn sogar zu einer vorläufigen Veröffentlichungszusage zu bewegen. Leider (und aus heutiger Sicht zum Glück) stieß ich mit meinem Vorhaben auf taube Ohren, insbesondere beim Präsidenten des Deutschen Skatgerichts, an den ich verwiesen wurde. Dies lag nicht daran, dass ich das Deutsche Skatgericht mehr oder weniger als „Gegner“ betrachtete. Nein, der Herr Präsident war der Ansicht, meine Pläne würden nichts weltbewegend Neues zutage fördern – eine bodenlose Unverschämtheit, wenn man einmal einen Blick in meinen Kommentar wirft. Zudem würde der gewöhnliche Skatspieler sich nicht für die Regeln interessieren; der gewöhnliche Skatspieler wolle nur spielen. Das Fazit lautete damit: keine Verkaufschance. Es fiel mir ehrlich gesagt auch nicht schwer, mir vorzustellen, wie wenig Begeisterung ein einfach gestrickter Kneipenspieler für mein anspruchsvolles Projekt aufbrächte.

Diese Entwicklung hätte bereits das Ende aller Träume bedeuten können. Dennoch vereinbarte ich mit dem Herrn Präsidenten, dass ich ihm ein Probekapitel zuschicke und er sich wieder bei mir meldet. Da ich aber gerne einen „Joker“ in der Hinterhand behalten wollte, schrieb ich zugleich den Humboldt-Verlag an, der schon zahlreiche Skatbücher veröffentlicht hat, beschrieb mein Projekt und hoffte auf ein reges Interesse. Vom Herrn Präsidenten habe ich selbstverständlich bis heute nichts gehört, und auch der Humboldt-Verlag hatte nach fünf Wochen noch nicht geantwortet. Ich verlor vollständig die Lust an meinem Projekt und gab es schließlich schweren Herzens auf, von der Gewissheit geplagt, dass ich mit dieser Entscheidung in die schriftstellerische Bedeutungslosigkeit abdriften würde.

Kurz vor Weihnachten erhielt ich völlig unerwartet eine Mail vom Humboldt-Verlag, der mitteilen ließ, er könne sich prinzipiell eine Veröffentlichung zum Thema „Regelstreitigkeiten beim Skat“ vorstellen, wenn das Werk denn für jedermann verständlich sei. Obwohl ich mich über diese neue Chance hätte freuen müssen, nahm ich die Nachricht mit gemischten Gefühlen auf: Einerseits war ich wieder im Geschäft; andererseits wusste ich, dass mein altes Kommentar-Konzept absolut unbrauchbar war und niemals einen Abnehmer finden würde. Plötzlich hatte ich die Erleuchtung, die mich schon viel früher hätte ereilen müssen: Warum nicht das geplante Werk lustiger und massentauglicher machen? Die Ideen sprudelten jetzt nur so aus mir hervor, als ob jemand einen Stöpsel abgezogen hätte (ein schiefes Bild, wenn man genauer darüber nachdenkt). Zuerst gab ich die Streitfallsortierung nach den Vorschriften der Internationalen Skatordnung auf und untergliederte die Fälle stattdessen in allgemeine Bereiche bzw. Kapitel wie z. B. „Geben“ oder „Bedienen“. Als nächstes entwarf ich eine streitlustige fiktive Skatrunde, die die Streitfälle nachspielen sollte (mehr zur fiktiven Skatrunde siehe unter „Skat: Streitfälle vor Gericht: Vorstellung des Werkes“). Auf einmal ging auch die Arbeit flott von der Hand: Dutzende lustige Streitfälle mit unterhaltsamen und ausführlichen, aber niemals überfordernden Entscheidungsbesprechungen schrieb ich innerhalb von wenigen Tagen (die gröbsten Korrekturarbeiten sollten demgegenüber bis Mitte März andauern). Witzige Merksätze am Ende einer jeder Entscheidungsbesprechung, Regeleinführungen am Anfang eines jeden Kapitels und Zusammenfassungen am Ende des jeweiligen Kapitels rundeten meine nunmehr „perfekte“ Idee ab. Ach, und man sollte es kaum glauben: Durch all den Spaß, den ich nun an der Arbeit hatte, gewann ich hinsichtlich der Entscheidungsbeurteilung meine Objektivität zurück.

Nachdem ich ein Exposé erstellt hatte – dummerweise war dies nach den Regeln für ein Exposé zu einem Roman zusammengestellt, aber das hat mir anscheinend niemand übel genommen –, konnte ich selbiges und das „Probekapitel Spielansage“ an den Humboldt-Verlag schicken. Mitte März schließlich bekam mein Leben durch die Zusage des Humboldt-Verlages, mein Werk zu veröffentlichen, wieder einen Sinn. Auch wenn der FC Bayern München nie mehr die Champions League gewinnt, Deutschland beim „Eurovision Song Contest“ nie mehr den ersten Platz belegt und Skat vielleicht schon bald den Kampf gegen Sammelkartenspiele und Medien aller Art verliert – das alles spielt keine Rolle, denn ich kann mich jetzt das nennen, was im Grunde unseres Herzens jeder von uns gerne sein möchte: Schriftsteller (noch lieber hätte ich „Millionär“ geschrieben, aber dafür langt es noch nicht). Und da ich als Jura-Student zusätzlich noch etwas bin, das keiner von uns gerne sein möchte, braucht man mich nicht einmal zu beneiden.

Seit Mitte März stand die Zeit natürlich nicht still. Meine weiteren Versuche, den Präsidenten des Deutschen Skatgerichts von meinem Werk zu überzeugen, wurden allesamt ignoriert. Auch der Präsident des Deutschen Skatverbands, dem ich das gesamte Manuskript in ausgedruckter Form zugeschickt habe, hält eine Empfehlung durch den Deutschen Skatverband für nicht angebracht (ohne die genauen Gründe für seine Ansicht zu erläutern). Dafür ist es mir gelungen, den Niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff und Spitzenspieler, Schiedsrichterobmann und Skat-Lehrer Thomas Kinback für Buchrückenkommentare zu gewinnen. Während Christian Wulff das Manuskript nicht lesen musste, hat Thomas Kinback sich alles zu Gemüte geführt. Um mit ihm ins Geschäft zu kommen, musste ich jedoch einige zu kritische Passagen, die dem Deutschen Skatgericht gewidmet waren, entschärfen. Inzwischen bin ich aber froh, dass er auf dem Buchrücken präsent ist und nicht Manfred Quambusch, um dessen Gunst ich ebenfalls gebuhlt hatte. Ich hatte sogar ein Exemplar seines völlig überteuerten und inhaltsleeren Buches gekauft und ihm zusätzlich noch eine Fehlerliste dazu erstellt. Eine Leseprobe hatte er von mir auch bekommen, doch er hielt mein Werk ohne nähere Begründung für „zu dünn“ und „zu anspruchslos“ – oder es war einfach zu hoch für ihn. Aber ist es nicht schön, wenn ein Buch schon im Vorfeld der Veröffentlichung polarisiert?

Als bislang letzte Stolpersteine haben sich die Art und der Umfang der Werbung entpuppt, inklusive der Frage, wer ein Gratisexemplar erhält. Inzwischen weiß ich, dass aggressive, sich selbst beweihräuchernde Werbung in der Skatszene nicht gut ankommt. Dennoch freue ich mich über die dabei gesammelten Erfahrungen, und es ist mir gewiss gelungen, ein bisschen frischen Wind in die Skatwelt zu bringen. Die letzten Werbeaktionen – Beschreibungen bei Amazon und in den Skatforen sowie Werbemails an Skatvereinsvorsitzende – haben sicher keinem wehgetan, so dass ich nur noch sagen kann: Sehet und lest, was durch meinen Geist entstanden ist.

Euer Marc Bieber